Ratsantrag 15/2022
Die Fraktion der GRÜNEN beantragt, im Rat der Stadt Aachen folgenden Beschluss zu fassen:
Die Verwaltung wird beauftragt, die Verpachtung landwirtschaftlicher Flächen, welche sich mittelbar und unmittelbar im Besitz der Stadt Aachen befinden, in mehrerlei Hinsicht neu zu organisieren und künftig stärker an ökologischen Kriterien auszurichten:
- Pachthöhe: Sie wird beauftragt, ein transparentes Modell zu erarbeiten, nach welchem die Höhe der Pacht gestaffelt wird. Die reguläre Pachthöhe soll reduziert werden, wenn die Fläche nach ökologischen Kriterien bewirtschaftet wird bzw. wenn eine oder mehrere Maßnahmen durchgeführt werden, welche die ökologische Wertigkeit der Fläche steigern.
- Verpflichtende Vorgaben: Die Verwaltung wird beauftragt, zu evaluieren, welche Vorgaben in allen Pachtverträgen verbindlich festgeschrieben werden sollen, um sie naturverträglich zu gestalten. Die Vorgaben sollen stufenweise eingeführt werden, um den Landwirt*innen Zeit zu geben, sich daran anzupassen.
- Neuverpachtungen: Des Weiteren wird sie beauftragt, eine Strategie für die Vergabe freiwerdender städtischer Flächen zu erarbeiten, beispielsweise über ein transparentes Punktesystem. Darin sollen Aspekte wie die Umsetzung von Maßnahmen zur Steigerung der Biodiversität, eine Bewirtschaftung nach dem Bio-Siegel, die Betriebsgröße, Entfernung zwischen dem Hof und der Fläche sowie soziale Aspekte berücksichtigt werden.
Die Verwaltung soll die bestehenden Möglichkeiten nutzen, Pachtverträge neu abzuschließen bzw. zu ändern, um schnellstmöglich eine Umsetzung der Vorgaben gemäß Punkt 1 und 2 zu realisieren.
Begründung
Dieser Antrag versteht sich als Impuls der Grünen Fraktion zum geplanten „Runden Tisch Landwirtschaft“, auf dessen Grundlage mit den Teilnehmer*innen ein städtisches Konzept bezüglich der Pacht diskutiert werden soll.
Landwirtschaftlich genutzte Flächen sind ein wichtiger Lebensraum für zahlreiche Tier- und Pflanzenarten, beispielsweise für Feldvogelarten sowie unzählige Insektenarten. Deren Bestände sind in den letzten Jahren und Jahrzehnten deutschlandweit massiv eingebrochen: So ist beispielsweise der Bestand des Kiebitz als typischem Bewohner der Agrarlandschaft zwischen 1980 und 2020 um katastrophale 93% eingebrochen. Und auch bei Insekten hat sich in der vielzitierten Krefelder Studie ein starker Einbruch gezeigt: Die Masse der gefangenen Fluginsekten ist an den untersuchten Standorten zwischen 1989 und 2015 um 75% eingebrochen.
Vor diesem Hintergrund muss die Stadt Aachen Maßnahmen ergreifen, um die Biodiversität im Aachener Agrarland wieder zu steigern. Ziel sollte es sein, in der Landwirtschaft Nischen für den Artenerhalt zu schaffen.
Zu 1. Staffelung der Pachthöhe:
Als ein Steuerungsinstrument steht der Stadt Aachen die Höhe der Pacht für ihre städtischen Ackerflächen und Wiesen, welche sie an Landwirt*innen verpachtet, zur Verfügung. Diese sollte als Anreizsystem bzw. als Entschädigung für Landwirt*innen dienen, um Naturschutz-Maßnahmen auf den entsprechenden Flächen durchzuführen. Ein Pachtnachlass könnte beispielsweise für die folgenden Maßnahmen gegeben werden:
- Bewirtschaftung nach dem Bio-Siegel
- reduzierter bzw. kein Einsatz chemisch-synthetischer Pestizide
- reduzierte Ausbringung von Düngemitteln / Gülle
- Zwischenfruchtanbau, Untersaaten, Winterbegrünung
- reduzierte / konservierende Bodenbearbeitung (Direkt-/Mulchsaat)
- Anlegen von Blüh-Randstreifen / Lerchenfenstern (naturschutzfachlich begleitet)
- Anlegen von Hecken und Feldgehölzen
- ein Teil der Fläche wird aus der Nutzung genommen
Als Beispiel kann das Freiburger Modell „Pestizidverzicht auf städtischen Pachtflächen“ dienen: Auf Grundlage einer freiwilligen Vereinbarung können Pächter*innen dort stadteigene Ackerflächen ohne chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel bewirtschaften und profitieren dabei von einem um 50 Prozent geringeren Pachtzins. Um weitere 20 Prozent reduziert sich der Pachtzins, wenn auf der städtischen Pachtfläche eine zusätzliche ökologische Aufwertung, wie beispielsweise die Ansaat artenreicher, an den Standort angepasster Blühmischungen oder eine temporäre Ackerbrache in Kombination mit Pflanzenschutzmittelverzicht erfolgt (s. beispielsweise Kommunen für biologische Vielfalt e.V.).
Zu 2. Vorgaben in (Bestands-)Pachtverträgen:
Neben vielfältigen Anreizen ist es vor dem Hintergrund der Dringlichkeit der Lage auch geboten, gewisse Vorgaben verpflichtend für alle Pächter*innen festzulegen. In der Stadt Aachen wurde in diesem Zusammenhang bereits politisch beschlossen, dass der Verzicht auf die Ausbringung von Glyphosat in allen Neuverträgen festgeschrieben werden soll. Die Verwaltung soll nun evaluieren, welche weiteren Vorgaben gemacht werden können, die einen möglichst großen Effekt erzielen und gleichwohl möglichst geringe finanzielle und soziale Verwerfungen für die Landwirt*innen mit sich bringen. Denkbar wäre eine schrittweise Festlegung einer maximalen Menge an Pestiziden, welche pro Fläche ausgebracht werden darf. Um den Landwirt*innen genug Zeit für die Umstellung Ihrer Art der Bewirtschaftung zu geben, sollen die Vorgaben erst in einigen Jahren, beispielsweise ab 2030, greifen.
Zu 3. Vergabe freiwerdender Flächen:
Wenn ein landwirtschaftlicher Betrieb aufgegeben wird, werden hin und wieder städtische Flächen frei. Daraufhin muss die Stadt entscheiden, an welche Landwirt*innen diese Flächen zukünftig verpachtet werden sollen. Bisher gilt der sog. „Ökolandbeschluss“ des Rates der Stadt Aachen aus dem Jahr 1995, demzufolge die Flächen bevorzugt an Betriebe vergeben werden sollen, die ökologisch wirtschaften. Dieser soll abgelöst werden durch ein transparentes Punktesystem, welches vielfältige Aspekte berücksichtigt. Solche Punktesysteme für die Vergabe von landwirtschaftlichen Flächen werden bereits von mehreren Kommunen erfolgreich umgesetzt, beispielsweise von der Stadt Köln. Mit einem solchen System kann erreicht werden, dass sowohl Aspekte des Naturschutzes als auch soziale Aspekte bei der Flächenvergabe berücksichtigt werden. Über die Gewichtung der einzelnen Aspekte soll politisch entschieden werden.
Kaj Neumann Fraktionssprecher Grüne | Julia Brinner Umweltpolitische Sprecherin Grüne |