Aachen. «Viel Energie für die Solarenergie»: Nach diesem klaren Motto lebt Wolf von Fabeck ganz kompromisslos. Er ist überzeugt von der außerordentlichen Wichtigkeit und will diese Form der Energiegewinnung weiter nach vorne bringen.
Ihr zuliebe ließ er sich als Bundeswehroffizier frühpensionieren und hat weite Bereiche seines Lebens auf diese Aufgabe ausgerichtet. Seit genau zehn Jahren gibt es jetzt das Aachener Modell. Für von Fabeck ein Grund zum Feiern - und weiter zu arbeiten.
Mit dem agilen Endsechziger sprach AZ-Redakteur Joachim Rubner über die Solarenergie, über Erfolge und Wünsche für die Zukunft. Das «Aachener Modell» ist mittlerweile weltweit als Vorreiter des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes bekannt. Erklären Sie das Aachener Modell doch bitte in kurzen Worten.
von Fabeck: Das Aachener Modell verpflichtete erstmals die kommunalen Stromversorger, Strom aus Solar- oder Windkraftanlagen vollständig in ihr Netz aufzunehmen und für jede Kilowattstunde eine festgelegte Mindestvergütung zu bezahlen. Diese ,kostendeckende Vergütung' war so bemessen, dass sie einem vernünftig wirtschaftenden Anlagenbetreiber alle Kosten - einschließlich eventueller Darlehenszinsen - im Lauf von 20 Jahren zurückerstattete. Sie betrug für die ersten so vergüteten Solaranlagen 2 Mark pro Kilowattstunde.
Wer hat die Solarenergie überhaupt erfunden. Wofür wurde sie ursprünglich entwickelt?
von Fabeck: Der französische Physiker Alexandre Edmond Becquerel entdeckte im 19. Jahrhundert den photoelektrischen und photographischen Becquerel-Effekt. Die erste spektakuläre Anwendung zur Energieerzeugung ergab sich in der Raumfahrt. Es gab anfangs nur zwei Möglichkeiten, einen Satelliten auf der Erdumlaufbahn mit Strom zu versorgen. Das waren die Atomenergie und die Solarenergie. Inzwischen werden keine atombetriebenen Satelliten im Sonnensystem mehr eingesetzt. Die Solarenergie hat dort die Atomenergie schon längst abgelöst...
Ich erinnere mich noch, als Sie und Ihre ersten Mitstreiter gegen Ende der 80er Jahre auf stark frequentierten Plätzen in Aachen standen und mit großem Einsatz bei Wind und Wetter für die Solarenergie warben. Wie war das damals? Sie propagierten etwas ganz Neues und für viele Zeitgenossen völlig Unverständliches.
von Fabeck: Wir haben damals zwölf Solarmodule aufgebaut, sie zusammengeschaltet und elektrische Geräte damit betrieben. Eine Bohrmaschine zum Beispiel und ähnliche Dinge. Die Leute standen zum Teil mehr als staunend um uns herum. Wir haben einmal am kürzesten Tag des Jahres und auch noch bei Regen vor der Mayerschen Buchhandlung gestanden. Das geringe Tageslicht hat ausgereicht, eine AEG-Stichsäge anzutreiben. Ungläubige Zuschauer baten uns mehrfach, die Anschlusskästen auf der Rückseite der Solarmodule aufzuschrauben. Sie glaubten tatsächlich, wir hätten darin Akkus versteckt.
Sie waren Berufssoldat und Ingenieur. Wie sind Sie eigentlich ganz persönlich zur Solarenergie gekommen?
von Fabeck: Ich hatte im Jahr 1984 ein sehr hässliches Erlebnis auf der Nordseeinsel Baltrum. Dort hatte die Umwelt- und Luftverschmutzung die Vegetation in nur einer einzigen Nacht ganz erheblich geschädigt. Bäume, Büsche und Pflanzen waren auf ihrer Nordwestseite in nur wenigen Stunden verdorrt. Ich habe mich bemüht zu klären, wie dies geschehen konnte, und musste schließlich feststellen, dass es eine Folge der Luftverschmutzung war.
Eine Hauptquelle der Luftverschmutzung war und ist die Energieversorgung, die auch mit Hilfe der damaligen Hoch-Schornstein-Politik nicht verhindern konnte, dass die Schadstoffe irgendwann einmal wieder auf die Erde zurückfielen. Daher ergab sich für mich die Frage nach einem Ersatz für die fossile Energieversorgung.
Und so sind Sie auf die Solarenergie gestoßen?
von Fabeck: Jein! Ich bin eher zufällig zur Solarenergie gekommen, und zwar durch ein Vorwort von Carl Friedrich von Weizsäcker in dem Buch ,Die Grenzen der Atomwirtschaft'. Er schrieb damals sinngemäß, dass er sich niemals für die Atomenergie eingesetzt hätte, wenn er geahnt hätte, wie sorglos und leichtsinnig die Menschheit mit ihr umgehen würde. Er nannte die Solarenergie ganz explizit als Alternative.
Das hat mich sehr beeindruckt, und ich wollte es selber ausprobieren. Ich habe mir ein Solarmodul gekauft, es getestet und stellte völlig überrascht fest, dass es die Küchenmaschine meiner Frau ganz, ganz langsam antrieb. Die Leistung war zwar absolut unbefriedigend, aber - immerhin - die Maschine lief.
Als Ingenieur habe ich nachgerechnet. Ich kam zum Ergebnis, dass ich etwa zwölf Module benötigen würde, um die Maschine mit voller Kraft laufen zu lassen. Außerdem konnte ich überschlägig ausrechnen, dass die Solarenergie vom Potenzial her als Nachfolgerin und Ersatz für die fossilen Energien und die Atomenergie geeignet ist.
Für Windenergie sind geeignete Standorte wichtig. Solarzellen benötigen Platz. Um ein Atomkraftwerk zu ersetzen, wäre ziemlich viel Fläche nötig. Was sagen Sie zu diesen oft gehörten Einwänden?
von Fabeck: Ich kenne diese Einwände, doch sie sind nicht stichhaltig. Eine Solarzellenfläche mit der Kantenlänge 160 Kilometer mal 160 Kilometer würde für die gesamte Energieversorgung - nicht nur für die Stromversorgung - Deutschlands ausreichen. Sie muss aber nicht als gigantisches glitzerndes Rechteck ins Land gestellt werden, sondern kann verteilt werden auf die Dach- und Fassadenflächen unserer Häuser, auf Lärmschutzwände, auf Überdachungen von Parkplätzen und Verkehrsflächen.
Da die Windenergie einen guten Anteil mit übernehmen wird, kommen wir auch mit einer geringeren Solarzellenfläche aus. Natürlich müssen für diesen Umbau die Strukturen der Energiewirtschaft den veränderten Anforderungen angepasst werden.
Insbesondere müssen erheblich mehr dezentrale Speicherkapazitäten geschaffen werden. Dies alles ist eine sehr reizvolle organisatorische und ingenieurtechnische und nicht zuletzt eine politische Aufgabe.
Und wie ist dann der Solar-Energie-Förderverein Deutschland entstanden?
von Fabeck: Unsere Familienkasse reichte nicht aus, die fehlenden elf weiteren Solarmodule für den vollwertigen Antrieb der vorhin erwähnten Küchenmaschine zu bezahlen. Pfarrer Ernst Toenges, damals im Bonhoeffer-Haus, kam auf die Idee, einen Verein zu gründen, um die notwendigen Gelder zu erhalten.
Wann war das?
von Fabeck: Im Jahre 1986. Im November 1986 haben wir den Verein mit acht Personen gegründet. Da ich kurz vorher auf eigenen Wunsch aus der Bundeswehr ausgeschieden und in Frühpension gegangen war, konnte ich die Geschäftsführer-Aufgaben übernehmen. Inzwischen hat der Verein bundesweit etwa 2100 Mitglieder.
Was ist jetzt konkret am vergangenen Donnerstag im Aachen-Fenster des Kaiserbades gefeiert worden?
von Fabeck: Die Durch- und Umsetzung des Aachener Modells in der Stadt. Zehn Jahre besteht es jetzt. Das ist ein kleines Jubiläum.
Dass das Modell zur kostendeckenden Vergütung den Namen unserer Stadt tragen würde, hing an einem seidenen Faden. Erinnern Sie sich noch daran?
von Fabeck: Ja. Die Idee wurde in Aachen entwickelt, und sie ist auch im Aachener Rat beschlossen worden. Alle Parteien mit Ausnahme der FDP haben zugestimmt. Erst später haben die Städte Freising und Hammelburg entsprechende Beschlüsse verabschiedet. Allerdings ist die Stawag dem ersten Aachener Ratsbeschluss nicht gefolgt, während die Stadtwerke in Freising und Hammelburg ihre Chance schneller wahrgenommen haben.
So stammt zwar die Idee aus Aachen, aber die erste Umsetzung in die Praxis erfolgte in Hammelburg und Freising. Glücklicherweise hat der Aachener Stadtrat dann in weiteren Beschlüssen auf der Umsetzung der kostendeckenden Vergütung bestanden.
Wie wird sich die Solarenergie in Zukunft entwickeln?
von Fabeck: Die Solarenergie wird durch Massenproduktion immer preiswerter werden. Außerdem, wenn man Solaranlagen so montiert, dass sie Strom erzeugen und gleichzeitig gegen Wind und Wetter schützen, kann man die Kosten für die eingesparte Dacheindeckung oder Fassadenabdeckung gegenrechnen.
Aachen war Vorreiter bei der kostendeckenden Vergütung. Wie könnte es weitergehen?
von Fabeck: Die Stadt Aachen könnte erneut ein absolut richtungsweisender Vorreiter sein: Nach einer Änderung des Baugesetzes im September 2004 gibt es die Möglichkeit, dass die Stadt Solaranlagen zur Stromerzeugung oder zur Warmwassererzeugung oder Blockheizwerke mit erneuerbaren Energien bei Neubauten verbindlich vorschreibt.
Der Bauherr entscheidet, welche Technik er wählt, aber eine muss er installieren. Die Wirtschaftlichkeit einer Anlage steigt noch, wenn sie in der Planungsphase des Bauwerks mit berücksichtigt wird.
Im Zeitalter steigender Energiepreise und abnehmender Öl- und Gasvorkommen wäre ein solcher Beschluss der Stadt im wohlverstandenen Zukunftsinteresse aller Bauherren.
AZ 11.3.2005