Bärbel Höhn ist guter Dinge. Soeben hat der Düsseldorfer Landtag die Ausweisung eines der größten Vogelschutzgebiete in NRW beschlossen - einstimmig. "Dass ich das noch erleben darf", ruft die streitbare Ministerin der Opposition zu - und freut sich, dass die bedrohte Wiesenweihe nun in Ruhe brüten und rasten kann.
Soviel Eintracht hat Seltenheitswert, zumal beim Thema Umwelt und erst recht in Zeiten des Wahlkampfs. Davon kann die Grüne Höhn vielstrophige Lieder singen.
Entmutigen lässt sie sich dadurch aber nicht, im Gegenteil: "Wer Umweltschutz Luxus nennt, der hat nicht begriffen, dass wir uns den anderen Weg gar nicht mehr leisten können", sagt sie im Gespräch mit vier Schülern der Gesamtschule Aachen-Brand.
Abbildung: Bärbel HÖHN -
Joy Beckers, Michael Soiron, Simon Franz und Lukas Reiber beschäftigen sich im Rahmen des Projekts "Hirnströme statt Massenströme" mit den Frage: Wie lassen sich kostbare Rohstoffe schonen und besser nutzen? Eine Stunde nimmt sich Bärbel Höhn Zeit, hört zu, erzählt und erklärt. Zum Beispiel, wie das Land Unernehmen das Energiesparen schmackhaft macht.
"Ökoprofit" nennt sich das Ganze. Gut 600 Betriebe haben sich schon daran beteiligt. Ist das nicht ziemlich wenig? Klar, sagt Höhn, aber "Ökoprofit" sei ein Vorzeigeprojekt. Und das zeige Wirkung. "Am Anfang sagten viele: Wir sind doch Unternehmer, wir wissen selbst am besten, wie man Geld spart", erinnert sich die Ministerin. Doch inzwischen werde die Zahl kleiner und mittlerer Betriebe, die das sparsame Produzieren für sich entdecken immer größer - ein Schneeballprinzip.
Aber Ökoprofit ist nicht alles. Höhn nennt als weiteres Beispiel die Energieeffizienzagentur, die Lösungen für einzelne Branchen, etwa die Metallindustrie, entwickelt und ökologische Kostenrechnungen aufmacht.
Aber Ökologie wird auch zu einem betrieblichen Imagefaktor. "Mitarbeiter arbeiten nun mal lieber in einem Unternehmen, das etwas für die Umwelt tut", weiß Höhn. Und sie sagen: Wir haben unser Unternehmen aus einem ganz anderen Blickwinkel kennengelernt - und eine Menge von anderen Firmen gelernt. Da kann man sich von der Arena AufSchalke oder dem Münsteraner Allwetterzoo eine Menge abgucken.
Nimmt der Stellenwert der Umweltpolitik ab, fragen die Schüler. Die Antwort der Ministerin ist eindeutig: Gerade bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit wird der Umweltschutz immer wichtiger. "Wenn es einen Bereich gibt, in dem in den letzten Jahren neue Jobs entstanden sind, dann sind es dioe Erneuerbaren Energien" - 130.000 Menschen beschäftigt die Wind-, Wasser- und Sonnenbranche heute - "eine richtig kleine Jobmaschine", sagt Höhn.
Bei den ökologischen Zielen haben die Grünen die Latte hoch gehängt: Bis 2020 soll nicht nur ein Viertel des Strombedarfs aus regenerativen Quellen kommen, sondern auch 25 Prozent des Treibstoffbedarfs. "Da sagen die Wissenschaftler: Das sind 175.000 neue Arbeitsplätze - das ist schon mal was."
Auch Naturschutz ist in den Augen der Ministerin "nicht nur etwas fürs Herz": der Nationalpark Eifel ist auch ein Stück regionaler Wirtschaftsförderung. Die Lachse in der Sieg, die Gänse am Niederrhein - all das seien Beispiele für einen sanften Tourismus, der zugleich Arbeitsplätze, etwa in der Gastronomie, bringt. "Wir wollen keinen Museumsnaturschutz in NRW", sagte Höhn.
Mehr noch: Für die Ministerin ist Umweltschutz auch Gesundheitsschutz. "Wenn wir über die Vermeidung etwa von Dieselruß und Partikelfilter reden, sprechen wir über Gesundheitsschutz", sagt Höhn. Feinstäube verursachen pro Jahr mehr Todesopfer als der Straßenverkehr.
Das gleiche gilt für die Klimapolitik. "Wenn wir das Problem in diesem Jahrhundert nicht lösen, hat der Planet ein Riesenproblem", ist Höhn überzeugt. Die klimabedingte Zunahme von Naturkatastrophen wie Überschwemmungen und Orkanen ist nicht zu übersehen und verursacht weltweit Milliardenschäden. Im vergangenen Sommer, erzählt sie, hat sie einen Schüler ausgezeichnet, der Tornados in NRW untersucht hat. Ein Exotenthema, dachte sie - bis vier Wochen später ein Tornado durch ihr Oberhausener Stadtviertel fegte. Manchmal ist ein globales Problem ganz nah - auch für eine Ministerin.
AN 4.3.2005