Ein Jahr ist vergangen, seit die StädteRegion Aachen als Zusammenschluss aus der Stadt Aachen und dem Landkreis Aachen Ende Oktober 2009 gegründet wurde. Thomas Griese, stellvertretender StädteRegionsrat zieht nach einem Jahr Bilanz:
1. Warum Städteregion?
Um eine Zwischenbilanz zu ziehen, muss man sich die Gründe für die Bildung der StädteRegion noch einmal vor Augen führen: Es ging darum, eine Verwaltungsreform durchzuführen und die Verwaltung an einer Stelle zusammenzuführen. Zur Erinnerung: Wir hatten in Stadt und Kreis Aachen von allem zwei, nämlich zwei Gesundheitsämter, zwei Veterinär- und Lebensmittelüberwachungsämter, zwei Ausländerämter, zwei ARGEN mit der Agentur für Arbeit usw.; zweifache Zuständigkeiten z.B. für Ausbildungsförderung, Pfegegesetz, Schwerbehindertenförderung, Einbürgerung, Vermessungswesen, Jagd, Fischerei, Tierschutz etc.
Und es ging darum, dass die Region Aachen bei der Interessenvertretung nach außen, sei es in Düsseldorf, Berlin oder Brüssel, mit einer Stimme spricht. Nicht länger andauern sollte der Zustand, dass sich Stadt und Kreis Aachen höheren Orts gegeneinander ausspielen lassen und im Verhältnis zu den Großräumen Köln und Düsseldorf dann den Kürzeren ziehen.
2. Was ist erreicht?
Die Zusammenführung der Verwaltungsämter und der Zuständigkeiten hat überraschend reibungslos geklappt. Wer schon einmal Fusionsprozesse – sei es im öffentlichen Dienst oder der Privatwirtschaft – mitgemacht hat, kann eigentlich nur staunen, dass die Verlagerung von mehreren hundert Stellen auf die StädteRegion und die Zusammenführung von Zuständigkeiten bei der StädteRegion vollzogen worden ist, ohne dass es relevante Anfangsfehler oder vorübergehende Qualitätseinbußen für die Bürgerinnen und Bürgern gegeben hätte. Wir haben jetzt für das ganze StädteRegionsgebiet in den beschriebenen Bereichen nur noch ein Amt und eine Zuständigkeit. Als Beispiel sei hier auch genannt, dass es nunmehr nur noch eine gebündelte Zuständigkeit bei der StädteRegion für Förderschulen und Berufskollegs gibt. Die Dividende stellt sich in Gestalt von Einsparungen bereits ein. Der Haushaltsentwurf der StädteRegion für 2011 weist aus, dass insgesamt bereits 36 Verwaltungsstellen eingespart worden sind.
Weniger positiv ist die Bilanz bei der gemeinsamen Interessenvertretung nach außen. Zu oft hört man noch: „Wir in der Stadt, die (anderen) in der StädteRegion“ und umgekehrt. Da ist noch nicht ausreichend angekommen, dass die Stadt Aachen Teil der StädteRegion ist und dass dies für die städtische Bevölkerung und Gremien anders als früher Einflussmöglichkeiten auf die ganze Region bedeutet.
3. Zusammenwachsen dauert länger
Das Zusammenwachsen zu einer Region ist aber ein längerer Prozess. Manches muss sich erst zurechtruckeln. Und bei mancher kritischen Stellungnahme zur StädteRegion ist handfestes Eigeninteresse im Spiel. Wer als Verwaltung oder Personalrat Mitarbeiter an eine andere Ebene abgeben muss, sieht das natürlich nicht gern und ist eher geneigt, Anlass zur Grundsatzkritik zu suchen. So erklären sich auch manche nachträgliche Eifersüchteleien um Standorte und Kompetenzen.
4. Welche Visionen brauchen wir?
Kürzlich konnte man in der Zeitung die Meinung von Politpensionären lesen, die StädteRegion brauche mehr Visionen. Angesichts der Beispiele, die dann aufgezählt wurden, kann man nur sagen: Vielen Dank! Besser nicht! So propagierte Ex-OB Dr. Jürgen Linden die Vision, die Energieversorger der Region müssten sich zusammenschließen. Das ist angesichts der gegenwärtigen Mehrheitsverhältnisse eine wirklich grauenhafte Vorstellung. Denn in einem der drei regionalen Versorger, nämlich dem EWV, hat RWE die Mehrheit. Wir würden also durch eine Fusion RWE plötzlich eine Sperrminorität auch bei STAWAG und Enwor, die bisher hundertprozentig kommunal sind, geben. Darüber hinaus würde RWE einen tiefen Einblick in die Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse seiner kommunalen Konkurrenten bekommen. Das mag eine Vision für RWE sein, die hoffentlich unerfüllt bleibt, es ist aber keine für die Bürgerinnen und Bürger der StädteRegion.
Ganz generell brauchen wir keine Visionen, die in zweifelhafte und am Ende wieder kostensprengende Großprojekte münden.
Stattdessen müssen wir Tag für Tag an der Vision arbeiten, den Bürgerinnen und Bürgern eine einheitliche und effiziente Verwaltung für das gesamte StädteRegionsgebiet zur Verfügung zu stellen. Und dafür, dass die Region einheitlich nach außen vertreten wird und dadurch ihre Möglichkeiten erweitert.
5. Woran messen wir eigentlich den Erfolg?
Der Erfolg der StädteRegion wird sich nicht an der Realisierung irgendwelcher Großprojekte erweisen. Es wäre auch eine skurrile Vorstellung, zu glauben, dass mit einem Großprojekt die StädteRegion erfolgreich abgeschlossen ist, denn es wäre doch die Frage, was folgt nach dem Großprojekt? Etwa das nächste Großprojekt?
Erfolgreich ist die StädteRegion, wenn ein regionales Bewusstsein entsteht, wenn Bürgerinnen und Bürger aus Stadt Aachen und Altkreis Aachen gemeinsam fühlen und sagen: „Wir sind die StädteRegion und vertreten gemeinsam das Regionsinteresse.“ Naiv zu glauben, dass dies von heute auf morgen entsteht oder mit einem Federstrich des Gesetzgebers herbeizuführen ist.
Der Erfolg bemisst sich aber auch daran, ob es gelingt, gemeinsam Politik für die StädteRegion zu machen. In einigen Bereichen ist das gelungen. Nur die gemeinsame regionale Abfallpolitik hat beispielsweise dazu geführt, dass die Bioabfälle aus der Region künftig als erneuerbare Energiequelle in einer Biogasanlage eingesetzt werden. Die gemeinsame Sozialpolitik hat dazu geführt, dass jetzt eine leistungsfähige ARGE für alle Unterstützungsbedürftige in der Region zur Verfügung steht.
In weiteren Bereichen stehen Herausforderungen an, die nur regional zu bewältigen sind, so der Ausbau des schienengebundenen Verkehrs in der StädteRegion oder eine regional gesteuerte Wirtschaftspolitik und Gewerbeansiedlung.
Die Bilanz nach einem Jahr: „Gut auf den Weg gekommen, aber die StädteRegion ist keine Kurzstrecke!“