Karlspreisveranstaltung mit Annalena Baerbock
„Ein Europa für alle 510 Millionen Menschen in Europa“, das ist ein Ziel, für das es sich zu kämpfen lohnt. Annalena Baerbock, Bundesvorsitzende von Bündnis90/Die Grünen skizzierte ihre Ideen zur Europapolitik und begeisterte damit die vielen Zuhörer, die ins Ludwig-Forum gekommen waren. Im Rahmen der diesjährigen Veranstaltungsreihe zur Karlspreisverleihung forderte sie neuen Mut zu einer Politik, die die Grundidee der europäischen Einigung aufnimmt statt im Kleinklein nationalen Denkens zu verharren. Einmal mehr hob sie Frieden, Freiheit, Demokratie und Rechtstaatlichkeit als Grundwerte der Europäischen Union hervor. Dabei räumte sie ein, dass nicht alles, was bisher von der EU beschlossen wurde, gut gelungen sei. Dies sei aber erst recht ein guter Grund, Europa auch in Zukunft aktiv zu gestalten und dabei Klartext zu reden.
Sie finde es nämlich nicht akzeptabel, dass die Kriterien zur Aufnahme eines neuen Staates penibel durchleuchtet werden, anschließend aber nie mehr überprüft wird, wie es um deren Einhaltung steht. Dabei solle es spürbare, auch finanzielle, Konsequenzen geben, wenn die demokratischen Werte mit Füßen getreten werden oder Finanzmittel nicht ihren Zielen entsprechend eingesetzt werden.
Deutliche Worte fand sie zur Flüchtlingspolitik: „Wir dürfen nicht zulassen, dass Werte wie Menschlichkeit und Mitgefühl eine Entwertung erfahren und der gesamte Diskurs sich verschiebt“. Auch wenn nicht alle europäischen Staaten sich bereit erklären, geflüchtete Menschen aufzunehmen, kann doch eine bessere Verteilung erreicht werden. Es gebe viele Entscheidungen der EU, die nicht alle Staaten umgesetzt haben: „Den Euro haben auch nicht alle europäischen Staaten eingeführt“. Sie sprach sich ganz klar für Mehrheitsentscheidungen aus, wenn Einstimmigkeit nicht zu erreichen sei.
Das gegenwärtig wichtigste europäische Thema ist aus ihrer Sicht die Klimakrise. Klimawandel wirke sich global aus auf alle anderen Themen: Natürlich auf die Fragen von Flucht und Migration, aber eben auch auf Wirtschaft, Handel und Wertschöpfung und damit auf den allgemeinen Wohlstand, auf Ernährung und Gesundheit. Und damit eben auf die grundlegende Frage, wie wir in Europa leben wollen und können. Annalena Baerbock beantwortete diese Fragen mit ebenso viel Zuversicht wie Ideenreichtum und Kompetenz. Vor allem sei Politik in erster Linie dazu da, die Menschen in den verschiedenen Regionen und Kommunen ernst zu nehmen und ihnen Aufmerksamkeit und Gehör zu schenken: „Menschen wollen gehört werden, ihre Anliegen und Probleme müssen ernst genommen werden.“ Es sei ein Grundanliegen von Politik, genau das zu tun, auch und vor allem „da, wo es weh tut“.