GRÜNER SALON „Nahmobilität“ diskutiert Perspektiven

Zu Fuß oder per Rad auf kurzen Wegen durch die City. Den ruhenden Verkehr von der Straße ins Parkhaus bringen. Kreative Lösungen für eine enge Stadt wie Aachen suchen.

Radstraßen sind in Aachen mittelfristig keine Utopie, meinen nicht nur die Aachener Grünen.
Experten der FH, Stadt Aachen und IHK diskutierten unter Moderation von Arndt Klocke, MdL das Thema "Nahmobilität"...
... vor einem interessierten Publikum, das kritisch hinterfragte.

Zu Fuß oder per Rad auf kurzen Wegen durch die City. Den ruhenden Verkehr von der Straße ins Parkhaus bringen. Kreative Lösungen für eine enge Stadt wie Aachen suchen.

Christoph Hebel, Verkehrsplaner der FH Aachen, brachte es gleich zu Beginn mit ein paar Fakten auf den Punkt: 71% der zurückgelegten Wege in Aachen sind kürzer als 6 km (Region: 55%), dennoch wird ein Großteil auch dieser geringen Strecken immer noch mit dem Auto zurückgelegt. Will man Nahmobilität befördern – also z.B. das Zurücklegen von Wegestrecken per Rad oder zu Fuß – so gibt es noch einiges zu tun. Dazu gehört nicht nur, mehr Raum für nicht-motorisierte Verkehrsteilnehmer zu schaffen oder auch die Angebote des ÖPNV auszubauen, sondern ein Umdenken bei denen zu bewirken, die auch auf dem Weg zum Bäcker nicht auf das Auto verzichten mögen. Hier sei es wichtig, so Hebel „Routinen aufzubrechen“ und Alternativen aufzuzeigen.

Auch gäbe es kein „Grundrecht auf öffentlichen Parkraum“ in der Innenstadt. „Die städtische Fläche ist wertvoll, richtig teuer! Viele meinen, es gäbe ein Recht auf möglichst kostengünstiges Parken an der Straße, mitten in der Stadt. Ich meine: Nein, im Gegenteil!“, so Christoph Hebel und verwies auf das Errichten von Quartiersgaragen als eine gute und stadtplanerisch sehr verträgliche Lösungen, um parkende Autos verstärkt aus dem Straßenraum zu bringen.

Auch ländlichen Raum einbeziehen

Dass man auch den ländlichen Raum in die Überlegungen einbeziehen muss, darauf wies Monika Frohn, Verkehrsexpertin der IHK Aachen, hin: „Wer in der Stadt wohnt, dem fällt es leichter, auf ein Auto zu verzichten. Doch wir müssen auch bedenken, dass viele Leute aus dem Umland zur Arbeit oder zum Einkaufen nach Aachen pendeln müssen. Viele sind dabei auf ein Auto angewiesen, weil der ÖPNV für sie nicht passt, oder weil sie vielleicht vor der Arbeit noch das Kind in eine abseits der Strecke gelegene Kita bringen müssen.“ Auch für den Handel sei eine gute Erreichbarkeit entscheidend.

Doch dass kein Geschäft zugrunde gehe, nur weil man nicht mehr direkt vor der Haustüre parken könne, dafür sei etwa die Verkehrsberuhigung der Ursulinerstraße im Herzen der Stadt ein Paradebeispiel, meinte Uwe Müller, Verkehrsplaner der Stadt Aachen. Im Gegenteil, die Umgestaltung des gesamten Bereichs inklusive des Elisengartens als Park mit hoher Aufenthaltsqualität für die Menschen habe zu einer großen Aufwertung und gesteigerter Attraktivität geführt, von dem auch der Handel in hohem Maße profitiere.

Alte Gegnerschaften haben sich aufgelöst

„Aachen ist sehr aktiv in der gesamten Diskussion um Mobilität“, meinte Arndt Klocke, verkehrspolitischer Sprecher der GRÜNEN im Landtag NRW und Moderator des Abends. Er schlug den Bogen zu den Aktivitäten der AGFS (Arbeitsgemeinschaft fußgänger- und fahrradfreundlicher Städte, Gemeinden und Kreise in NRW), die sich seit über 20 Jahren über alle Parteien hinweg mit dem Thema Nahmobilität beschäftigt und schon einiges bewirken konnte: „Die Koordinaten haben sich durch die Zusammenarbeit verändert, alte Gegnerschaften haben sich aufgelöst und viele Städte sind in Sachen Radverkehr heute sehr aktiv – bis hinein in die IHKs, mit denen vielerorts eine gute Kooperation besteht.“

Lebhafte Diskussion mit vielen Fragen

In der anschließenden lebhaften Diskussion wurden etliche weitere Punkte angesprochen, und mal mehr, mal minder zufrieden stellend beantwortet: Die Frage nach Radtrassen etwa, die laut Christoph Hebel eine alte, bislang ungelöste Frage in Aachen sei: „Bislang haben Verkehrszählungen ergeben, dass einfach nicht genügend Radfahrer diese Straßen nutzen, um sie in Radstraßen umzuwidmen. Da gibt es klare Richtlinien mit Werten, die erreicht werden müssen. Doch ich bin mir sicher, dass sich die Frequenz mittlerweile deutlich erhöht hat, etwa auf der Achse Mörgens-, Krakau-, Südstraße Richtung Hangeweiher. Ich denke, dass wir mittelfristig in Aachen Fahrradstraßen sehen werden.“

Ein weiteres Thema in Kommentaren des Publikums war der ewige Konflikt „Autofahrer versus Radfahrer“. Hier erfahren viele Radfahrende aggressives Verhalten seitens der motorisierten Verkehrsteilnehmer, bis hin zur systematischen Nichtbeachtung und dem Zuparken von Radstreifen, Verstellen der Radwege in Staus etc. Hier ist sicher noch viel Arbeit für besseres Miteinander zu leisten, nicht zuletzt auch eine bessere Informationspolitik über die richtige Nutzung von Radverkehrsanlagen. Auch die Mitnahme von Rädern im ÖPNV wurde thematisiert. Leider ist in den Bussen einfach oft zu wenig Platz. Viele Menschen mit Handicap nutzen den ÖPNV, der vorhandene Stellplatz wird für Rollatoren, Rollstühle, natürlich auch für Kinderwagen benötigt, so dass oft ein Fahrrad nicht mehr aufgenommen werden kann. Doch in Zeiten der pedelecs ist selbst das streckenweise etwas hügelige Aachener Stadtgebiet mittlerweile doch für viele mit dem Rad zu bewältigen.

Verlassen der Komfortzone größte Schwierigkeit

Abschließend war aus der Diskussion der Eindruck mitzunehmen, dass seitens der Verantwortlichen großer Wille und die Einigkeit herrscht, das Thema Nahmobilität in Aachen voranzutreiben. Dennoch gibt es viele „Baustellen“, an denen noch Entwicklungspotenzial besteht. Allem voran gilt es, das Denken und das automatisierte Verhalten bei Menschen aufzubrechen, die aus Bequemlichkeit und aus Routine das Auto nutzen, auch wenn sich gute Alternativen – Füße, Räder oder ÖPNV – anbieten. Hier kann Politik und Verwaltung auch ruhig einmal rigoroser durchgreifen, denn derzeit wird um des „lieben Friedens“ willen immer noch gern ein Parkplatz mehr im öffentlichen Straßenraum gelassen, als vielleicht unbedingt erforderlich.

Der GRÜNE Salon „Nahmobilität“ ist Teil einer Veranstaltungsreihe zum Thema Mobilität. Die nächste Diskussion zum Thema „Innerstädtische Liefersysteme“ findet statt am Donnerstag, 25.6.15, 19.30h im „café & bar zuhause“ in der Sandkaulstraße 109 in Aachen. Diskussionspartner: Achim Kampker (RWTH/Deutsche Post), Jörg Albrecht (CLAC Citylogistik Aachen), Michael Lerch (Philipp Leisten 2.0), Moderation Gisela Nacken, GRÜNE KV Aachen.

Zurück