Mehr Windenergie für Aachen

Am 21.11.12 hat sich der Stadtrat mehrheitlich für den Ausbau der Windenergie in Aachen ausgesprochen. In einem aufwendigen Verfahren wurde untersucht, welche Flächen in Aachen für die Windkraftnutzung geeignet sind.

© CFalk / pixelio.de
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Am 21.11.12 hat sich der Stadtrat mehrheitlich für den Ausbau der Windenergie in Aachen ausgesprochen. In einem aufwendigen Verfahren wurde untersucht, welche Flächen in Aachen für die Windkraftnutzung geeignet sind.

Rund 800 Seiten umfassen die Anregungen und Eingaben,  die von Bürgerinnen und Bürgern im Rahmen der sogenannten „Offenlage“ im Mai und August/September abgegeben wurden. Die Mitarbeiter verschiedener Fachbereiche der Stadt Aachen haben sich eingehend damit befasst und die Vorschläge, ob und auf welchen Flächen im Stadtgebiet weitere Windkraftanlagen errichtet werden können, sorgsam abgewogen. Diese sogenannten Konzentrationsflächen stehen nun fest und wurden vom Stadtrat bestätigt.

Anbei einige Fakten zum Verfahren und die Reden unserer UmweltpolitikerInnen Sabine Göddenhenrich und Jochen Luczak aus der Stadtratssitzung vom 21.11.12.

1.    Energiewende passiert auch und vor allem kommunal

Die Energiewende weg von fossilen Energieträgern hin zu den Erneuerbaren Energien ist von allen Parteien beschlossen und stellt damit Bund, Länder und Kommunen vor die Aufgabe, die Energie auch dort zu erzeugen, wo sie verbraucht wird und die damit verbundenen Einschränkungen in Kauf zu nehmen und nicht auf andere Regionen, Länder und Menschen abzuwälzen. Die Windenergie stellt derzeit das größte Potential für Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien dar.

2.    Die Standorte wurden in einem aufwändigen Prozess untersucht


In einem mehrstufigen Prozess wurden die nun beschlossenen Standorte ausgewählt und hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf Menschen (Schall, Infraschall, Schlagschatten), Tiere (insbesondere Vögel und Fledermäuse) und auf Wald, Landschaft, Landschaftsbild und andere Aspekte der Umwelt ausgiebig und aufwändig untersucht.

3.    Standorte und Anlagenzahl wurden reduziert

Aufgrund der Ergebnisse wurden Veränderungen vorgenommen: Die Flächen wurden verkleinert, die zunächst geplante Anzahl der genehmigungsfähigen Anlagen im Münsterwald von 10 auf 7 Anlagen reduziert, auf den Standort Nonnenweg/Schlangenweg wurde aus Artenschutzgründen verzichtet und für die Anlagen im Aachener Norden werden aus Gründen des Immissionsschutzes möglicherweise Abschaltzeiten erforderlich.

4.    Mit 11 Windrädern könnten ca. 30.000 Aachener Haushalte ganzjährig mit Strom versorgt werden

Mit den nun möglichen Windrädern – 7 im Münsterwald und 4 im Aachener Norden- könnten insgesamt 27.000 bis 30.000 Haushalte mit Strom versorgt werden. Das entspricht einer Einsparung von CO² in einer Größenordnung von 46.000 bis 60.000 Tonnen pro Jahr!

Rede von Sabine Göddenhenrich, Vorsitzende des Umweltausschusses und grüne Ratsfrau: Windenergie für Aachen

Grundlage unserer heutigen Entscheidung ist eine umfangreiche und aufwändige Überprüfung aller vorhersehbaren Konsequenzen, die sich aus dem Ausbau der Windenergie auf den Flächen der Stadt Aachen ergeben.

Ergebnis ist das vorliegende Papier mit umfangreichem Datenmaterial und Gutachten. Mehr als 1200 Seiten. Aber nicht Quantität zählt hier, sondern die Qualität, mit der die Verwaltung dieses Projekt in den vergangenen drei Jahren bearbeitet hat und dafür geht ein herzlicher Dank an die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der betreffenden Abteilungen. 

Im Ergebnis kommen wir zu der Entscheidung, den Flächennutzungsplan der Stadt Aachen zu verändern und 7 Standorte für Windkraftanlagen im Aachener Süden sowie 4 Standorte im Aachener Norden zuzulassen.

Es handelt sich um hohe leistungsfähige Anlagen mit einer Gesamthöhe von etwa 180 Metern. Das ist keine Kleinigkeit, sondern ein großes Projekt mit Auswirkungen auf Mensch und Umwelt. Das ist uns allen bewusst.

Aus diesem Grund wurden in einem mehrstufigen Verfahren die nun beschlossenen Standorte ausgewählt und hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf Menschen (Schall, Infraschall, Schlagschatten), im Hinblick auf den Artenschutz (Vögel und Fledermäuse) und in Bezug auf die Landschaft (Landschaftsbild) sowie den gesamten Naturraum  ausgiebig und aufwändig untersucht.

Um schädliche Auswirkungen zu vermeiden und den Einwendungen der Bürger und Verbände Rechnung zu tragen, wurden innerhalb des Abwägungsprozesses Flächen verkleinert, auf eine Fläche am Schlangenweg wurde ganz verzichtet und es wird zeitweise zur Abschaltung von Anlagen kommen, falls die Immissionswerte an dem nördlichen Standort zu hoch sind.

Das sind Zugeständnisse, die gemacht werden müssen und die auch gemacht worden sind. Und dies zeigt: Wir stellen nicht die Erneuerbaren Energien und schon gar nicht die wirtschaftlichen Erträge in den Vordergrund. Wir stellen die Menschen und die Natur in den Vordergrund und wägen ab. Dass hier im Sinne aller entschieden wird, ist daran zu erkennen, dass sowohl die Befürworter der  Windkraftanlagen als auch die Gegner Einwendungen machen. Die Tatsache, dass beide Seiten zurückstecken müssen, zeigt, dass es der Verwaltung gelungen ist, einen ausgewogenen Kompromiss zu finden.

Wir meinen, dass dieser Vorschlag ein Erfolg ist. Ein Erfolg sowohl für die Erneuerbaren Energien, ein Grünes Anliegen seit über 30 Jahren und mittlerweile ein gesellschaftlicher Konsens.

Natürlich freut uns das und dieser Freude möchten wir auch heute hier Ausdruck verleihen.

Grundlage unseres heutigen Beschlusses ist auf der kommunalen Ebene der im Koalitionsvertrag zwischen CDU und Grünen beschlossene Ausbau der Windenergie und ein Antrag von SPD und Grünen aus dem Jahr 2008.

Die Stadt Aachen hat außerdem einen Ratsbeschluss, der beinhaltet, dass bis zum Jahr 2020 der Energiebedarf zu mindestens 40% aus Erneuerbaren Energiequellen gedeckt werden soll.

Die Landesregierung hat als Ziel genannt, dass die Kommunen mindestens 2% ihrer Fläche für die Windkraftnutzung bereitstellen sollen. Mit dem heutigen Beschluss wird die Stadt Aachen mit einer Fläche von ca. 1,45% diesem Ziel schon recht nahe kommen. Für eine Stadt dieser Größenordnung ist das ganz ordentlich.

Außerdem hat die Bundesregierung in ihrer Novelle des Baugesetzbuches eine deutliche Förderung regenerativer Energien aufgenommen. Danach ist es nicht ausreichend, die Gründe anzuführen, die zur Ausweisung einer Konzentrationsfläche führen. Nein, die Kommune ist auch verpflichtet, eine flächendeckende Aussage darüber zu treffen, warum alle anderen Flächen nicht in Frage kommen. Und auch diese Forderung wird mit der heutigen Beschlussvorlage erfüllt.

Weitaus bedeutsamer ist – und hier möchte ich doch einmal den großen Bogen schlagen zwischen lokalem Handeln hier in Aachen und globalem Denken-

Weitaus bedeutsamer als all diese Beschlüsse, ist das Bewusstsein, dass die Energieversorgung der Zukunft nicht mehr aus fossilen und atomaren Brennstoffen erfolgen kann. 

Das Umdenken begann mit der atomaren Katastrophe von Tschernobyl. Das Jahr 2011 markiert einen zweiten Wendepunkt in der Energiepolitik.

Das Erdbeben in Japan und die anschließende atomare Katastrophe hat nicht nur in Deutschland, aber hier in ganz besonderer Weise, das Denken verändert.

Mit der Energiewende war klar, dass aus dem globalen Denken auch und zu allererst ein kommunales Handeln werden würde. Und das ist auch gut so, denn wer könnte besser über die Nutzung unserer Flächen entscheiden als wir selbst? In einer neuen Windpotentialstudie des Landes Nordrheinwestfalen ist die Eifel, das gesamte Gebiet um uns herum als das Gebiet mit der höchsten Windausbeute verzeichnet. Was wäre denn, wenn wir darüber gar nicht entscheiden könnten und das andere tun würden?

Wenn wir heute die 117. Änderung des Flächennutzungsplanes beschließen, dann leisten wir unseren Beitrag dazu, die Energiewende umzusetzen.

Und wir leisten einen Beitrag für eine langfristige klimapolitisch neutrale und außerdem bezahlbare Stromversorgung. Denn wenn die Investitionskosten einmal abgetragen sind, verbleiben nur noch die Betriebskosten. Anders als bei Öl, Kohle und Gas entstehen keine Kosten für den Energieträger selbst, seine Förderung, Transport oder Weiterverarbeitung.

Und es entstehen keine Immissionsabgaben, Renaturierungskosten oder Ewigkeitskosten oder gar Milliardenkosten für Endlagersuche und Atommülltransporte.

Im Gegenteil: Wir leisten einen Beitrag zur Absenkung der CO² Belastung in Höhe von ca. 50.000 bis 60.000 Tonnen jährlich, weil ungefähr 27.000 bis 30.000 Aachener Haushalte jährlich mit Strom versorgt werden können.

Sicher, es verändert sich etwas für die Bürger und Bürgerinnen im Nord- und Südraum Aachens. Aber die Auswirkungen sind gering verglichen mit den Auswirkungen, die die Menschen im Rheinischen Braunkohlerevier nur 50km von hier hinnehmen müssen.

Und sicher, auch wenn die Gegner dieser Anlagen es nicht gerne hören: Es ist auch eine moralische Frage, nämlich die Frage, ob wir auch selber bereit sind, die Konsequenzen unseres Handelns vor unserer Haustüre zu akzeptieren oder ob wir die Lasten unseres Wohlstandes anderen aufbürden wollen.

Die Grüne Fraktion ist entschieden, dass wir das nicht wollen und deshalb sagen wir Ja zur Änderung des Flächennutzungsplan in der vorgelegten Form.

Rede von Jochen Luczak, grüner umweltpolitischer Sprecher:

Nach drei Jahren Diskussion und zahllosen Gesprächen im Umweltausschuss und verschiedenen Foren gilt es heute, eine wegweisende Entscheidung zu treffen. Dafür haben wir eine Vorlage von der Verwaltung erhalten, die ihres gleichen sucht. So umfangreich, dass keine noch so kleine Frage unbeantwortet bleibt. Großer Dank an MitarbeiterInnen für die Vorlage – „Tag und Nacht“ scheinbar haben sie an der Untersuchung geeigneter Flächen im Stadtgebiet gearbeitet. Das Ergebnis ist eine außergewöhnlich detaillierte Prüfung, einschließlich der soliden und kompetenten fachlichen Gutachten.

Alle Bürgerinnen und Bürger hatten mehrfach und auf unterschiedlichen Wegen ihre Fragen, Vorschläge und Bedenken in der Offenlage einbringen können. Herzlichen Dank!

Eine hervorragende Grundlage für Abwägung und Entscheidung!

Die Kernfrage ist heute: „Wie wollen wir in Zukunft die verlässliche Energieversorgung für unsere Stadt gewährleisten?“

Die atomaren Katastrophen von Tschernobyl und Fukushima haben zweifelsfrei bewiesen: Atomkraft ist endgültig aus dem Kreis der möglichen Energiequellen ausgeschieden!
Sie ist nicht verlässlich, nicht berechenbar, keine Lösung, sondern ein Problem historischen Ausmaßes! Weder Betrieb, noch Entsorgung und Endlagerung sind zu verantworten. Die aktuelle extreme Häufung von Tumoren in den Schilddrüsen von Kindern in Japan ist ein alarmierendes Zeichen.

Braunkohle Verstromung Tagebau Garzweiler und Hambach sind ebenfalls keine nachhaltige Perspektive.
 
Die Kohle Förderung läuft aus, sie wird immer teurer, verheerende Landschaftszerstörung hinterlassen tiefe Wunden. Anders als Erneuerbare Energie verbraucht Kohle in kurzer Zeit Energievorräte, die in Jahrmillionen entstanden und von uns in kürzester Zeit verstromt werden. Nichts bleibt übrig für zukünftige Generationen! Unwiederbringlich verloren! Verbrauch auf Kosten der Zukunft!   

Es gibt eine reale Alternative! Die Entwicklung effizienter erneuerbarer Energie-Gewinnung hat rasante Fortschritte gemacht!

Die Tür steht weit offen auf für Erneuerbare Energie!

Wer sich erneuerbarer Energie in den Weg stellt, schadet – sicher ungewollt – der  Natur und damit auf Dauer auch den Menschen! Umwelt bewusst leben heißt „Schöpfung bewahren“.  Gerade wer den Münsterwald liebt, Flora und Fauna bewahren will, muss handeln. „Weiter so“ gefährdet Flora und Fauna. Wer Münsterwald und andere Gebiete schützen will, muss handeln: Wer keine Alternative anbietet, kommt seiner Pflicht als Ratsmitglied nicht nach!

Wir brauchen Lösungen für heute und für die nächsten 20 Jahre, 200 Jahre, 2000 Jahre!  Lösungen, die global – aber auch regional und lokal umgesetzt werden können. 

Für eine tragfähige Entscheidung benötigen wir einen ehrlichen Umgang mit Argumenten und Zielen! Hinter manchem Tier- und Naturschutz-Argument verbergen sich auch andere Interessen:

Wer in Wirklichkeit den Immobilienwert seines Hauses betont, ist zwar ehrlich im Argument, sollte aber sein Privat-Interesse nicht über das Allgemeinwohl stellen. Außerdem wird umgekehrt ein Schuh draus: eine nachhaltig entwickelte Kommune wie die Stadt Aachen ist attraktiv für Neubürger und moderne Wirtschaft. Realisierte erneuerbare Energieversorgung schreckt nicht ab, sondern lockt Investoren! Vor kurzem hat eine Studie gezeigt, dass Windenergieanlagen dem Tourismus in der Eifel nicht schaden.

Die extrem gründliche Prüfung der etwa 800 Eingaben von Bürgerinnen und Bürgern im Rahmen der Offenlegung haben wir uns angeschaut. Argumente sortiert, zugeordnet, ein Ranking erstellt. Ergebnis? Was glauben Sie?

Das häufigste genannte Argument heißt schlicht:
Erneuerbare Energie Ja, aber nicht vor meiner Tür! Das berühmte St. Florians-Prinzip!

Einen solchen Verschiebebahnhof darf es nicht geben. „Was habt ihr getan, um den Klimawandel zu begrenzen?“ werden wir zukünftig gefragt werden. Jeder, der heute hier mitentscheidet, wird darauf eine Antwort geben müssen.

Der beunruhigende Anstieg der Durchschnitts-Temperatur wird sich mittelfristig auch in unserer Region bemerkbar machen. Durchschnittlich bis zu 3 Grad C wird er ausmachen. Was heißt das? Heiße Sommermonate und sengende Sonne wie in Spanien!

Im Aachener Talkessel wird das größte Hitzeproblem in der Soers und in Haaren entstehen. Viele globale Folgen wirken sich auch bei uns aus. Ernteschäden in der Landwirtschaft, schlechtere Luftqualität, Starkregen-Ereignisse, Überschwemmungen, Gesundheitsprobleme für ältere Menschen: all das kommt auf uns zu, schneller als gedacht. Es ist keine exotische Anekdote, wenn die Insel-Welt im Pazifik, wenn Tuvalu und andere Inseln untergehen.

Wir müssen und wir können handeln. Die Auswirkungen beschränken, den Schaden begrenzen! Klimaprävention und Klimafolgen-Anpassung sind zentrale Aufgaben unserer Stadt. Für Aachen gibt uns dabei der neue vorgestellte „Masterplan“ wertvolle Hinweise.
 
WKA ist die Abkürzung für Wind-Kraft-Anlagen. Nach dem Beschluss im Rat können wir das auch neu Buchstabieren: WKA = „Wir Können Aufatmen!“´

Foto: © CFalk / pixelio.de

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