Offener Brief zum Hochschulzukunftsgesetz NRW

Eine Balance zwischen der Autonomie der Hochschulen und der Verantwortung des Landes. Stellungnahme der GRÜNEN NRW.

Am 11. September hat der Landtag das Hochschulzukunftsgesetz verabschiedet. In einem offenen Brief beschreiben unser NRW-Landesvorsitzender Sven Lehmann, das LaVo-Mitglied Max Christian Derichsweiler und die wissenschaftspolitische Sprecherin der Landtagsfraktion Ruth Seidl, welcher Gedanke hinter der Reform stand.

Liebe Freundinnen und Freunde, liebe LAG, liebe Hochschulgruppen und Mitglieder von CampusGrün,

die Verabschiedung des neuen Hochschulzukunftsgesetzes gestern im Landtag NRW markiert das Ende eines langen und intensiven Entstehungs- und Diskussionsprozesses.

Wir GRÜNE in NRW haben seit der Regierungsbeteiligung 2010 zwei zentrale hochschulpolitische Themen in Angriff genommen. Als erstes wurden die Studiengebühren 2011 ersatzlos abgeschafft. Damit wurden unsoziale Zugangshürden, die Studierende mit finanzschwachem Hintergrund belasten oder gar an der Studienaufnahme hindern, abgebaut. Die fehlenden Einnahmen der Hochschulen wurden vollständig durch Landesmitte kompensiert und fließen ausschließlich in die Qualität der Lehre.

Das zweite große Kernthema war für uns das 2007 von der schwarz-gelben Landesregierung auf den Weg gebrachte Hochschulfreiheitsgesetz. Mit seinem neuen Steuerungsmodell zugunsten einer Stärkung der Leitungsstrukturen war der damalige Wissenschaftsminister Pinkwart weit über das Ziel hinausgeschossen, was sogar zu verfassungsrechtlichen Bedenken führte. Es gab Änderungsbedarf, unter anderem bei der Rektoratswahl und der Beteiligung des Senats bei grundlegenden Angelegenheiten der Hochschule.

Ein echter Webfehler war es auch, die Hochschulen rechtlich zu verselbständigen und dabei zu vergessen, dass man für die bundesweit dichteste Hochschullandschaft möglicherweise einen Masterplan braucht. Denn es ist doch klar, dass Hochschulen, die sich in einem Wettbewerb untereinander befinden, kaum in der Lage sind, die landesweite Gesamtentwicklung im Blick zu halten und sich entsprechend untereinander abzustimmen. Als neues Steuerungselement ist daher ein Landeshochschulentwicklungsplan vorgesehen, der dem Parlament Mitgestaltungsmöglichkeiten in der Hochschulpolitik eröffnet, indem er die grundsätzlichen strukturellen Leitlinien für die Weiterentwicklung des Gesamtprofils der 37 nordrhein-westfälischen Hochschulen in den Blick nimmt.

Dem richtigen Ansatz, auf die Autonomie und Selbstbestimmung der Hochschulen zu setzen, steht aber auf der anderen Seite auch die Wahrnehmung gesellschaftlicher Verantwortung gegenüber: in Bezug auf eine gute Lehre, nachhaltige Forschung, Gleichstellung und faire Arbeitsverhältnisse.

Das neue Hochschulzukunftsgesetz beinhaltet viele Punkte, die hier wichtige Korrekturen vornehmen. Die Studienangebote werden durch die Einführung von Teilzeit-Studiengängen flexibilisiert, mit der Aufnahme von Diversity Management wird der Vielfalt an den Hochschulen Rechnung getragen, durch Frauenförderung soll der Anteil der Professorinnen erhöht werden, gute Arbeit entstehen gegen die Prekarisierung von Beschäftigten, die Interessenvertretung für Studierendengruppen (Hilfskräfte, chronisch Erkrankte) gestärkt, besserer Tierschutz erreicht, mehr Transparenz bei den Drittmitteln durchgesetzt, die Einführung einer Zivilklausel vorangetrieben werden. Dies entsprach und entspricht grüner Politik und dem Leitbild einer nachhaltigen, sozialen, gerechten, ökologischen und zivilen Hochschullandschaft, die sich als fundamentaler Teil der Gesellschaft versteht.
 
Grünes Ziel war es immer, eine neue Balance zwischen Autonomie der Hochschulen und Verantwortung des Landes zu finden. Eine Detailsteuerung oder einseitig verordnete Vorgaben durch das Ministerium war und ist kein grünes Programm und daher hat sie auch keinen Zuspruch bei unserer grünen Landtagsfraktion gefunden. Die heftige Diskussion, die vor allem in dem Punkt zwischen Hochschulleitungen und Ministerium geführt wurde, war offensichtlich notwendig, hat aber auch deutliche Spuren hinterlassen. Die Zusammenarbeit zwischen Hochschulen und Ministerium wie Parlament muss auf gegenseitigem Vertrauen basierend sachlich und konstruktiv im Ringen um die beste Lösung stattfinden. Als GRÜNE in NRW wollen wir genau diesen Weg weiter gehen.
 
Hochschulen als Ort für Wissenschaft, Forschung und Lehre sind auch Lebens- und Arbeitswelt für alle Hochschulangehörigen. Eine Teilhabe an Entscheidungsprozessen und der jeweiligen Ausrichtung innerhalb der hochschulischen Selbstbestimmung gebietet das demokratische Prinzip. Mit dem Hochschulzukunftsgesetz werden die Befugnisse der zentralen Hochschulgremien umgestaltet. Es ist richtig, dass der Senat als höchstes demokratisch legitimiertes Gremium über die universitäre Grundordnung entscheidet, an der Wahl des Rektorats beteiligt ist, über die Grundsätze des Hochschulentwicklungsplans mitbestimmt und insgesamt wieder stärker für die inhaltliche Ausrichtung von Forschung, Lehre und Organisation der Hochschule zuständig ist. Der bisher mit weitreichenden Kompetenzen ausgestattete Hochschulrat wird nun stärker auf seine Aufsichtsfunktion ausgerichtet und entscheidet nicht mehr allein über die Besetzung der Hochschulleitung.
 
Der nächste Schritt wird die Umsetzung des Gesetzes und sein Wirken in der Praxis sein. Bei diesem Prozess werden wir GRÜNE in NRW die Hochschulen nicht alleine lassen, sondern diesen aufmerksam begleiten. Mit einer detaillierten Handreichung hat das Ministerium eine für die ASten praktikable Lösung für die Stelle des Fachpersonals für den Haushalt der Studierendenschaften gefunden, die die studentischen Finanzen nicht über Gebühr belasten wird.
 
Auch die ursprünglich durch die Landesregierung vorgesehene Exmatrikulationsregelung bei überlangen Studienzeiten konnten wir nach den Verhandlungen wieder streichen und damit wird es wie bisher keine zeitlichen Einschränkungen geben. Die gesetzliche Abschaffung der Anwesenheitspflicht für Studierende wird Auswirkungen auf die tägliche Praxis haben. Die zu gleichen Teilen an der Wahl zur Hochschulleitung beteiligten Gremien Senat und Hochschulrat werden eine einvernehmliche Besetzung finden müssen.
 
Wir GRÜNE in NRW sind als Partei weiterhin der Auffassung, dass dem Hochschulrat nur eine rein beratende Funktion an den Hochschulen zustehen sollte. Ein Gremium, das meist aus externen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Akteurinnen und Akteuren besteht, kann sinnvolle Impulse für die Hochschule geben, Entscheidungskompetenzen sollten aber den gewählten Vertreterinnen und Vertretern aller Statusgruppen zukommen.
 
Dieses Anliegen, wie generell das weitere Engagement für eine Hochschullandschaft mit innovativer Forschung und Lehre und hoher Qualität, steht weiter auf unserer grünen Agenda. Wir wollen auch künftig gemeinsam mit Euch die Hochschulen weiter gestalten und freuen uns dazu auf den weiteren Austausch!
 
Mit grünen Grüßen,

Sven Lehmann, Landesvorsitzender

Max Christian Derichsweiler, Mitglied im Landesvorstand

Ruth Seidl MdL, Wissenschaftspolitische Sprecherin

Quelle: www.gruene-nrw.de

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