Der Rat der Stadt Aachen hat in seiner Sitzung am 21. März den Haushalt 2012 verabschiedet. In diesem Haushalt stehen Erträge in Höhe von rund 733 Millionen Euro Aufwendungen in Höhe von rund 773 Millionen Euro gegenüber. Das bedeutet ein Defizit von ca. 40 Millionen Euro. Die Finanzsituation der Stadt Aachen ist wie in vielen Kommunen schlecht.
Ziel schwarz-grüner Haushaltspolitik ist - so die Fraktionssprecherin der GRÜNEN, Ulla Griepentrog, in ihrer Haushaltsrede – trotz dieses Defizits die bestehenden Strukturen in den freiwilligen Bereichen Bildung, Soziales, Kultur und Sport zu erhalten.
Dies kann nur gelingen, wenn man die Einnahmeseite fest im Blick hat. 181 Millionen Euro hat die Stadt im abgelaufenen Haushaltsjahr 2011 durch die Gewerbesteuer eingenommen. Einiges mehr als manche großzügige Prognose hätte erwarten lassen können. Für das Jahr 2012 rechnet die Stadt mit ähnlichen hohen Einnahmen durch die Gewerbesteuer. Sollten diese Einnahmen jedoch nicht erreicht werden, muss – das ist die Absprache zwischen CDU und GRÜNEN – der Gewerbesteuerhebesatz erhöht werden, um die Mindereinnahmen zu kompensieren.
Die Schwerpunkte schwarz-grüner Politik liegen in den Bereichen Kinder, Jugend und Bildung. Hier wird es keine Streichungen geben. Stattdessen wird ein enormes Kita-Ausbauprogramm angegangen, durch die Verschiebung der Beitragsfreigrenze werden in Zukunft fast die Hälfte der Aachener Kinder vom zweiten bis zum zehnten Jahr beitragsfrei in der Kita und der OGS sein, die 4. Gesamtschule bekommt ein neues, an moderne Bildungsstandards orientiertes Gebäude und die OGS wird weiter ausgebaut.
Für diese Kindervorrangpolitik kämpfen SPD und GRÜNE auf Landesebene gemeinsam. Umso unverständlicher ist es, dass die SPD Fraktion in Aachen dieser Politik nicht zustimmt. Die Ablehnung des Haushalts durch die SPD ist inhaltlich unverständlich und nicht begründbar! Auch als Opposition sollte die SPD rational und sachorientiert handeln.
Und so beendete Ulla Griepentrog auch ihre Rede mit den Worten: „Opposition ist, wenn man trotzdem mitmacht!“
Die komplette Haushaltsrede von Ulla Griepentrog:
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, verehrte Kolleginnen und Kollegen!
der Ihnen heute zur Abstimmung vorliegende Haushalt setzt unsere bisherige Politik der Konsolidierung fort und orientiert sich finanzpolitisch an klaren Vorgaben. Diese sind
- die Sicherung bestehender Strukturen
- die Solide Finanzierung der Investitionen vor allem im Bereich Bildung und Erziehung
- eine deutliche Reduzierung des jährlichen Defizits und
- die Steigerung der Einnahmenseite.
Unsere vordringliche Aufgabe besteht darin, das Abrutschen in den Nothaushalt zu vermeiden. So sind wir mit der Anhebung der Planansätze für die Gewerbesteuereinnahmen mit 181 Millionen Euro an die Grenze dessen gegangen, was realistisch erzielbar ist. Dies soll deutlich machen:
Die Stadt braucht Einnahmen in dieser Größenordnung 185 Mio (Zahl nennen? ), um sich die eigene Handlungsfähigkeit zu erhalten. Werden die prognostizierten Steuereinnahmen zukünftig nachhaltig unterschritten, dann müssen wir gegebenenfalls mit einer Erhöhung des Hebesatzes der Gewerbesteuer gegensteuern. In den Beratungen zu diesem Haushalt konnten wir darauf noch verzichten.
Ich möchte heute aber nicht nur konkret zum Haushalt sprechen, sondern auch die Gelegenheit nutzen, mit ein paar kritischen Anmerkungen zur Politik der Opposition für ein gemeinsames Vorgehen in der Haushaltspolitik zu werben.
Denn die Begründung der Ablehnung des Haushalts durch die SPD ist schon mehr als fadenscheinig. Die SPD verurteilt den Haushaltsentwurf von CDU und GRÜNEN wegen angeblicher Kürzungen in „ihrem Kernbereich“ Kinder, Jugend, Bildung und Soziales als „falsches Signal für die Zukunft unserer Stadt“. Große Worte und doch nichts als leere Parolen! Es hat keine einzige Kürzung gegeben und das wissen Sie genau. Aber gut zu wissen, dass Sie diesen Politikbereich schon mal für sich reserviert haben.
In Düsseldorf ärgern wir, Rot-Grün uns gemeinsam und zu Recht über die monotone Wiederholung der Parolen vom rot-grünen Schuldenstaat und einer angeblich ach so unverantwortlichen Finanzpolitik. Dabei haben wir im Land gemeinsam und - wie ich finde - sehr überzeugend, eine an Prävention und Bildungsgerechtigkeit ausgerichtete, nachhaltige Politik gemacht. Wir haben die Studiengebühren abgeschafft, landesweit ein beitragsfreies Kindergartenjahr eingeführt, landesweit die Zuschüsse für die Offenen Ganztagsschulen so angepasst, dass OGS überall gut möglich ist, den Stärkungspakt für die Kommunen auf den Weg gebracht und der Ankündigungspolitik der Rüttgers - Regierung konkrete Taten folgen lassen.
Wie peinlich und enttäuschend dann, dass Sie hier auf der kommunalen Ebene genau die gleiche Masche reiten wie die Opposition in Düsseldorf und mit Unwahrheiten und Unterstellungen versuchen, von der eigenen Konzeptlosigkeit abzulenken.
Der Fraktionsvorsitzende der Aachener SPD wird in der Presse mit der Aussage zitiert, CDU und GRÜNE setzten die falschen Akzente, man müsse „in die Menschen in unserer Stadt investieren und nicht in Beton.“
Ich kann mit so einem Satz nichts anfangen und gehe davon aus, dass es vielen anderen Menschen in der Stadt auch so geht, dass sie diese Oppositionspolitik nicht verstehen.
Der Beton, in den wir investieren, ist für die 4. Gesamtschule, für das Kindergartenausbauprogramm, für Schulmensen, für die Fundamente von Windkraftanlagen und Aufbauten für Solarenergie und damit unterscheidet sich unsere grüne Politik hier an keinem Punkt grundsätzlich von unserer gemeinsamen Politik in Düsseldorf.
Beton statt Menschen – solche sinnleeren Vergleiche, um sich gegenseitig Vorhaltungen zumachen, bringen in der Sache nicht weiter. Die Menschen wollen – gerade in finanziellen schwierigen Zeiten – eine gemeinsame Politik des Rates zum Wohl der Stadt. Wir laden die Opposition aufrichtig dazu ein.
Ja, wir investieren in Menschen!
Wir haben – mit Ausnahme der FDP – alle gemeinsam die 4. Gesamtschule an den Start gebracht. Die Entscheidung für den Innenstadtstandort war – auch gegen den Widerspruch einzelner – richtig. Die Schule liegt schon im zweiten Jahr ihres Bestehens an zweiter Stelle bei den Anmeldungen. In einem neuartigen Wettbewerb mit Schulleitung, Eltern und Schülern ist ein inhaltlicher Entwurf für eine zukunftsfähige Ganztagsschule entstanden, der den Bedürfnissen von Schülern und Lehrern sehr gut gerecht wird. Insgesamt 13 Millionen Euro haben wir für das ambitionierte Raumprogramm, für die Instandsetzung der alten Schulgebäude an der Sandkaulstraße, für die neue Zweifachturnhalle und die notwendigen Um- und Neubauten in den Haushalt eingestellt.
Die gleiche Summe investieren wir aktuell und in den nächsten beiden Jahren in den Ausbau der Schulmensen. Dann werden alle Gymnasien, ja fast alle weiterführenden Schulen und auch die Vierte Gesamtschule eine neue Mensa haben. Eine wichtige Voraussetzung für die Schule im Ganztag.
15 Millionen Euro wurden zur Umsetzung der Kitaausbauplanung in den Haushalt eingestellt.
Mit einer Kindervorrangpolitik haben wir den eindeutigen Schwerpunkt des diesjährigen Haushalts gesetzt. Wir wollen in einer konzertierten Aktion mit freien Trägern ausreichend Betreuungsplätze für Kinder unter drei Jahren schaffen – und dies nicht mehr nur mit Umwandeln von Plätzen sondern mit Neubau. Mit den Beschlüssen im letzten und in diesem Jahr haben wir die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass nicht nur die gesetzlich geforderte Versorgungsquote von 32 Prozent im nächsten Jahr sondern vielmehr auch unsere eigene Zielgröße von 35 % erreicht werden kann. Mit weiteren Um- und Neubauten sorgen wir dafür, dass es bis 2015 für mehr als 40 Prozent der Kinder unter drei Jahren einen Betreuungsplatz geben kann und auch die Sicherheit für ausreichend Plätze für Kinder über drei Jahren bleibt. Ein Quote, auf die sich Eltern verlassen können.
Lange mussten wir mit der SPD über das beitragsfreie Kindergartenjahr streiten. Ja, Aachen ist mehrere Jahre lang mit unserem gemeinsam beschlossenen, kommunal finanzierten, beitragsfreien Kitajahr Vorreiter gewesen. Immer wieder hat uns der Regierungspräsident aber auch darauf hingewiesen, dass wir uns diese freiwillige Leistung nicht leisten können.
Jetzt, nachdem das Land das beitragsfreie dritte Jahr finanziert, haben wir die freiwillige Leistung wieder weggenommen und statt dessen ein neues Modell entwickelt, mit dem wir mit deutlich geringerem finanziellen Aufwand unter sozialen Gesichtspunkten sehr, sehr viel mehr erreichen.
Wir erhöhen die Beitragsfreigrenze und entlasten dadurch deutlich mehr Eltern von Beiträgen für die Betreuung ihrer Kinder. Mit der Verabschiedung dieses Haushalts stellen wir fast die Hälfte aller Eltern beitragsfrei vom zweiten bis zum zehnten Lebensjahr ihrer Kinder für Tagespflege, Kindertagesstätte und Offene Ganztagsschule. – Warum Sozialdemokraten einem solchen Vorschlag nicht zustimmen können, wird wohl für immer ihr Geheimnis bleiben. Mir erschließt sich das auf jeden Fall nicht!
Ich finde, ohne überheblich scheinen zu wollen, wir haben in den letzten zweieinhalb Jahren vieles richtig angepackt, aber wir haben noch wichtige große Projekte vor uns, die Sie in diesem Haushalt wiederfinden.
Die Entwicklung des Campus West ist zwar leicht ins Stocken geraten, sicher auch wegen der Affäre beim Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW. Dennoch wird hier mit Millionen-Investitionen ein neues Viertel entstehen, bei dessen Entwicklung darauf zu achten sein wird, dass sich hier nicht nur die Hochschule erweitert sondern auch ein Stück Stadterweiterung stattfindet.
Nach 10 Jahren erfolgreicher Stadtteilarbeit in Aachen -Ost werden wir auch im Projekt Aachen - Nord „in Menschen“ investieren, investieren in das soziale Klima unserer Stadt.
10 Millionen Euro Städtebaufördermittel holen wir für wiederum zehn Jahre für die „Soziale Stadt Aachen-Nord“ nach Aachen. Im alten Straßenbahndepot an der Talstraße wird ein spannendes Projekt realisiert werden. Neben dem Kernprojekt der Offenen Jugendarbeit werden in dem Gebäude die Künstler aus dem Atelierhaus Guter Hirte, die Werkstatt der Jugendberufshilfe und vielleicht auch ein freies Theater Platz finden.
Wichtige nachhaltige Zukunftsprojekte wie der Ausbau der Erneuerbaren Energien und der Verkehrsinfrastruktur in Aachen haben wir auf den Weg gebracht.
Zukunftsmobilität braucht eine Campusbahn. Selbstverständlich ist hier die Frage der Finanzierbarkeit noch zu prüfen und zu entscheiden.
Der Ausbau von Windenergie und Eigenerzeugung von Energie wird Aachen stärken. Mit umfangreichen Untersuchungen werden die Entscheidungen über die Ausweisung von Konzentrationsflächen für Windkraftanlagen vorbereitet. Natürlich handelt es sich hier um einen Eingriff in die Landschaft und in die Natur. Die vorliegende Planung hat alle Belange des Natur- und Artenschutzes und alle bekannten Auswirkungen auf den Menschen sorgfältig abgewogen. So wird vermutlich nicht das maximal Mögliche umgesetzt, sondern das, was für Flora und Fauna in einem guten Sinne vertretbar ist.
Wir hoffen sehr, dass am Ende der Beratungen auch ein positiver Beschluss – möglichst breit getragen im Rat der Stadt – stehen wird. Wenn also alles gut läuft, bekommt Aachen elf neue Windräder und eine Campusbahn.
30 Millionen Euro konnten mit Hilfe des Konjunkturprogramms der Bundesregierung in die Sanierung von Schulen, Kindergärten, Verwaltungsgebäuden, den Neubau der Feuerwache, die Pflege unseres Weltkulturerbes und in viele andere Projekte investiert werden. Nicht allen Bürgerinnen und Bürgern gefallen die neuen Projekte. Die Geister scheiden sich an der Gestaltung der Rathaustreppe, aber auch an wichtigen Verkehrsprojekten wie dem Shared Space am Templergraben oder der Einführung der Campusbahn.
Aber bei all diesen neuen Projekten schreiben wir– auch wenn einige nicht aufhören wollen, das Gegenteil zu behaupten – Bürgerbeteiligung groß. Die Aachener können sicher sein, hier wird umfassend und frühzeitig informiert, hier wird nicht getrickst oder gar getäuscht, wir wollen den offenen Diskurs, die Auseinandersetzung und den Wettstreit der besten Ideen.
Die Hälfte der Ratsperiode liegt nun hinter uns und die Arbeit der Koalition kann sich aus unserer Sicht sehen lassen. Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht. Die Zusammenarbeit mit unserem Koalitionspartner kann wirklich nur als sehr gut bezeichnet werden. Wir haben uns an vielen Stellen auch um die Zusammenarbeit mit den anderen Fraktionen bemüht. Dies war – wie oben beschrieben – offensichtlich nicht immer erfolgreich. Aber ich würde mal sagen:
Opposition ist, wenn man trotzdem mitmacht!
Zum Schluss noch ein herzliches Dankeschön an die Verwaltung für einen übersichtlicheren und immer besser lesbaren Haushalt und für die Bereitschaft, an jeder Stelle gesprächsbereit zu sein.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!