(Steil)Vorlage: Ordnungsamt und e-Bike – eine unmögliche Liebe

Antwort der Stadtverwaltung auf GRÜNEN Ratsantrag: Realsatire oder verfrühter Aprilscherz?

Fahrrad frei - gilt nicht fürs Amt!
So kann man es machen....
... so aber auch!

Ganz sicher ist man sich in der GRÜNEN Fraktion gerade nicht: Ist die Verwaltungsvorlage „E-Bikes für das Ordnungsamt“ für den kommenden Mobilitätsausschuss ein verspäteter Karnevals-Gag oder ein verfrühter Aprilscherz? Die Entscheidung fällt schwer, doch eins ist klar: Ernst gemeint sein kann die Vorlage nicht.

Dem GRÜNEN Ratsantrag, vier E-Bikes für das Ordnungsamt anzuschaffen und damit rad-affine Mitarbeiter auf Streife zu schicken, um etwa Falschparker auf Radwegen zu kontrollieren, wird mit einer Reihe von Schein-Argumenten begegnet, warum dies ganz und gar unmöglich sei. Vielleicht sind es aber auch einfach alternative Fakten, die uns hier zum Thema Radverkehr in Aachen präsentiert werden.

Zwei, drei Beispiele aus der langen Liste der Verwaltungsvorlage haben uns letztendlich doch überzeugt:

„Durch Tragen von Helmen, die zwar rechtlich (noch) nicht vorgeschrieben sind, aber dienstlich und aus einer Vorbildfunktion heraus gefordert werden müssten, gestaltet sich eine Kommunikation mit den übrigen Verkehrsteilnehmern, ordnungswidrig Parkenden u.a. eher schwierig.“

Bitte? Wir hören gerade schlecht, uns hängt der Fahrradhelm auf den Ohren. Sprechen geht auch nicht, den Gurt des Helms zieht man ja bekanntlich wie eine Trense durchs Maul. Schade, aber das ist natürlich ein Argument. Wir fragen uns bloß: Wie macht das eigentlich die Polizei mit ihren Motorradstreifen … die tragen Helm und zwar so richtig rundherum …. Ach, lassen wir das. Eine Antwort auf diese Frage würde Teile der Bevölkerung verunsichern.

„Fahrräder und E-Bikes sind witterungsabhängig und insbesondere in den Wintermonaten nur sehr bedingt einsatzbereit.“

„Bedingt einsatzbereit“ ist korrekt, nämlich maximal 365 Tage im Jahr. Das ist natürlich eher mickrig. Lohnt sich auch nicht. Zumal Aachen berüchtigt ist für die Wintermonate, in denen erbarmungslose Eisstürme durch die Straßen wehen und sich mannshohe Schneeberge auf den Radwegen türmen (das passiert tatsächlich ab und an, wenn sie nämlich von Schnee-Räumfahrzeugen dorthin geschaufelt werden). Ohne Spikes und Eispickel geht da gar nichts. Ach, gemeint ist gar nicht der arktische Winter, sondern der warme Aachener Regen? Nun, bekanntlich gibt es kein falsches Wetter, sondern nur falsche Kleidung. Wie machen das eigentlich die ganzen Briefträgerinnen und Briefträger, die man tagein, tagaus ein fröhliches Liedchen pfeifend auf e-Bikes durch Aachen flitzen sieht? Die sehen wirklich kreuzunglücklich dabei aus. Wahrscheinlich haben sie Knebelverträge im Nacken, die sie zu dieser unmenschlichen Art der Fortbewegung zwingen.

Scheinargumente sind heute im Sonderangebot

Die absurde Reihe lässt sich fortsetzen, unter anderem wird in der Vorlage darauf abgezielt, dass eine Fahrradstreife unmöglich wirtschaftlich arbeiten könne. Zahlreiche Beispiele aus der Fahrradcommunity zeigen, dass innerhalb weniger Minuten auf bestimmten Radstreckenabschnitten mehr „Knöllchen verschrieben“ werden könnten, als eine Fußstreife des Ordnungsamtes in einer Stunde verordnet.

Ein letztes Argument greifen wir hier dennoch auf, weil es einen wichtigen Aspekt anspricht:

„Das Unfallrisiko für die Überwachungskräfte steigt deutlich.“

Ja. Ganz ernsthaft. Das kann man aus Radfahrer-Sicht tatsächlich so stehen lassen. Radfahren in Aachen ist nicht sicher. Radfahren in Aachen birgt oftmals gefährliche Situationen. Radfahren in Aachen hat in weiten Teilen von Politik und Verwaltung keinen gehobenen Stellenwert.

„Und genau deshalb setzen wir uns, unter anderem mit einem solchen Ratsantrag dafür ein, Radfahren in Aachen sicherer und komfortabler zu machen“, sagt unser GRÜNER Ratsherr Jonas Paul, der als Ideengeber für den Antrag verantwortlich zeichnet.

„Hier geht es nicht um „Kuschelkurs für Radfahrer“ und auch nicht darum, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Verwaltung das Leben schwer zu machen. Hier geht es um ein besseres Miteinander im Verkehr, um mehr Gerechtigkeit auch für schwächere Verkehrsteilnehmer und im Endeffekt darum, eine Veränderung im Mobilitätsverhalten der Menschen zu erreichen und ihnen den Umstieg aufs Rad als Alternative zum Auto zu erleichtern!“

Wilfried Fischer, mobilitätspolitischer Sprecher der Aachener GRÜNEN, ergänzt: „Eines soll an dieser Stelle klargestellt werden: Wir möchten auch, dass sich die Mitarbeiter des Ordnungsamtes sicher fühlen. Das nehmen wir sehr ernst. Wir wünschen niemandem, Konfrontation, Gefährdung oder Bedrohung zu erleben! Niemand kann das besser nachvollziehen als jemand, der in Aachen selbst Rad fährt. Doch die Antwort der Verwaltung auf unseren Antrag ist auch ein Schlag ins Gesicht für alle diejenigen Kolleginnen und Kollegen bei der Stadt, die sich mit hohem Engagement und vielen guten Ideen und Aktionen dafür einsetzen, Radfahren in Aachen attraktiver zu machen.“

Ausgerechnet Düsseldorf!

Erfahrungen aus anderen Städten zeigen, dass der Einsatz der dortigen Fahrradstreife als effizient bewertet wird, wie auf der Webseite der Stadt Düsseldorf nachzulesen ist:

„Streifenfahrten mit Rädern haben als Ergänzung zu nach wie vor erforderlichen Auto- und Fußstreifen den Vorteil, dass insbesondere größere Parkanlagen oder auch sonstige weitläufige Freiflächen zügig und effizient überwacht werden können. Der Einsatzradius gerade in Parkanlagen ist durch die Wendigkeit der Räder enorm“*), sagt der dortige Ordnungsdezernent.

Ausgerechnet Düsseldorf! Das muss für Aachen doch ein Ansporn sein. Dem unwilligen Unterton der Aachener Verwaltungsvorlage stellen wir ein weiteres Zitat aus Düsseldorf gegenüber:

„Die Radstaffel des OSD besteht aus 25 Dienstkräften, die sich seit 2014 freiwillig bereit erklärt haben, Teile ihres Dienstes mit Dienstfahrrädern wahrzunehmen. […] „Allein in diesem Jahr haben die Außendienstkräfte des Ordnungsamtes bislang 3.200 Verstöße wegen Halten oder Parken auf Geh- oder Radwegen festgestellt und durch Verwarngelder zwischen 10 und 35 Euro geahndet. […] Dem OSD stehen insgesamt acht Diensträder zur Verfügung […]“ *)

Freiwillig, acht Räder, 3.200 Verstöße. Und das Beste kommt zum Schluss: Geldeinnahmen!

Scherz beiseite, die Vorlage der Verwaltung zeigt schöner als es jeder GRÜNE Textbeitrag könnte, wie dringend eine Sensibilisierung für die Belange des Radverkehrs in Teilen der Verwaltung und Politik nötig ist. Auf die Debatte im Ausschuss freuen wir uns heute schon. Vielleicht tragen wir ja Fahrradhelm, wenn wir unsere Argumente vorbringen. Mal schauen, ob wir verstanden werden.

*) https://www.duesseldorf.de/en/radschlag/news-termine/detail/newsdetail/mit-der-fahrradstaffel-des-osd-unterwegs-2.html

Zurück