Die Pannenserie im belgischen Atomkraftwerk Tihange und die vorübergehende Abschaltung des Reaktors wegen zunehmender Rissbildungen im Reaktorbehälter haben die Gefahren der Kernenergie auch für unsere Region noch einmal sehr deutlich werden lassen. Seit einem halben Jahr fordert die GRÜNE Ratsfraktion nun schon Informationen zum konkreten Katastrophenschutzplan der Behörden – ohne Antwort.
Das Verhalten des Oberbürgermeisters und der Verwaltung wirkt allmählich so, als gäbe es einen solchen konkreten Plan tatsächlich nicht. Die GRÜNE Fraktion hat jetzt einen Antrag in den Rat eingebracht, um wenigstens die flächendeckende Vorverteilung von Jodtabletten an alle Haushalte und öffentliche Einrichtungen für den Ernstfall zu erreichen.
Sabine Göddenhenrich, umweltpolitische Sprecherin der GRÜNEN dazu: „Wir wissen, dass die Einnahme von Jod kein Allheilmittel gegen radioaktive Verseuchung ist. Aber die Tabletteneinnahme kann die Sättigung der Jodaufnahme der Schilddrüse bewirken und die Einlagerung von radioaktivem Jod verhindern. Somit sinkt die Gefahr, an Schilddrüsenkrebs zu erkranken, vor allem bei Kindern und jungen Erwachsenen deutlich. Entscheidend ist dabei allerdings, dass die Tabletten rechtzeitig vor dem Eintreffen einer radioaktiven Wolke eingenommen werden. Das kann nicht gelingen, wenn erst nach der Bekanntgabe eines radioaktiven Fallouts mit der Verteilung begonnen wird.“
Das sieht auch die Arbeitsgemeinschaft der Leiter der Berufsfeuerwehren in Deutschland so. In einem Arbeitspapier zum Katastrophenschutz im Umfeld kerntechnischer Anlagen heißt es:
„Eine funktionierende und rechtssichere Verteilung der Jodtabletten durch die Katastrophenschutzbehörden kann nur durch eine Vorverteilung bis in die Haushalte hinein erreicht werden…..Über die Medien bzw. mit den Instrumenten zur Warnung und Information der Bevölkerung ist dann nur noch der Zeitpunkt der Einnahme zu kommunizieren…..Es ist zu bedenken, dass aus einem Versagen der Behörden(z.B. bei der Austeilung von Tabletten erst im Ereignisfall) auch ein Organisationversschulden und eine Amtshaftung abgeleitet werden könnte.“
Vorschlag des früheren Dezernenten nicht praktikabel
Der bis vor kurzem in der Stadtverwaltung für den Katastrophenschutz zuständige Dezernent, Lothar Barth vertrat noch im Bürgerforum im Juni dieses Jahres die Position, die Verteilung der Jodtabletten könne in Wahllokalen erfolgen. Jeder wisse schließlich, wo er beim letzten Mal gewählt habe. Auf die Vorhaltung von Bürgern, dass es doch ein offensichtlicher Widerspruch sei, die Menschen im Ernstfall aufzufordern, die Tabletten abzuholen und gleichzeitig nicht das Haus zu verlassen, ging er nicht ein.
Im Arbeitspapier der Feuerwehren heißt es dazu kurz und knapp: „Bei einer Vorverteilung an die Haushalte wird vermieden, dass die Bevölkerung zur Abholung das Freie aufsuchen muss, obwohl gleichzeitig zum Aufsuchen von Gebäuden aufgerufen wird.“ Und an anderer Stelle betonen die Feuerwehrchefs noch: „Die Einsatzkräfte der Feuerwehren können für die Verteilung von Jodtabletten an die Bevölkerung nicht eingeplant werden.“
Ärzte und Anti-Atombündnis unterstützen Anliegen
Unterstützt wird das Anliegen der flächendeckenden Verteilung von Jodtabletten durch die AKW-NEE Gruppe Aachen und durch die Ärzte gegen den Atomkrieg, (IPPNW), die dem Rat der Stadt in seiner letzten Sitzung einen „Hausbesuch“ abstatteten und in der Bürgerstunde eindringlich dafür warben, die im Ernstfall benötigten Jodtabletten medizinisch rechtzeitig an die Bevölkerung zu verteilen.
Vernünftigerweise kann den Argumenten nicht widersprochen werden. Der Stadtrat ist jetzt gefordert, die notwendigen Beschlüsse zu fassen, so dass im Ernstfall eine funktionierende und rechtssichere Versorgung der Bevölkerung gewährleistet werden kann.
» Zum Ratsantrag „Flächendeckende Verteilung von Jodtabletten“